Mit Ausgleichsmaßnahmen ist es nicht getan
Im Rahmen von „Bayern TourNatur“ wurde das artenreiche Gebiet am Schleifmühlbach bei Reisbach besichtigt, in dem unlängst die Umgehungsstraße errichtet worden war. Auf Einladung des Bund Naturschutz (BN) infomierte Landschaftsplanerin Almut Kroehling über den besonderen Wert und den aktuellen Zustand des Gebietes.
Die spannende Frage ist: bleibt das Gebiet am Schleifmühlbach südlich von Reisbach auch nach dem Bau der Straße noch für die Natur wertvoll, oder wurde es vollständig entwertet? Wie bei der Führung zu erfahren war, sind noch Lebensräume und Arten vorhanden, um deren Erhalt es sich zu bemühen lohnt.
Alois Aigner und Peter Hirmer vom BN-Kreisvorstand betonten, sie würden auch weiterhin ein Auge auf dieses ehemals ursprüngliche und naturnahe Gebiet halten, um zu verhindern, dass sich die restliche Natur nicht in ihrem Zustand verschlechtert. In diesem Zusammenhang betonte Aigner, dass es gerade in der Natur darauf ankommt, dass das Netz an intakter Natur nicht noch lückiger wird, um letztendlich auch das Wohlergehen der Menschen nicht zu gefährden.
Die Landschaftsplanerin Kroehling, die das Gebiet seit ihrer Kindheit kennt und es auch im Auftrag der Bürgerinitiative intensiv untersucht hat, gab zunächst einen kurzen Überblick über das Gebiet: Es liegt an einem weithin markanten Steilhang, zu dessen Füßen zahlreiche Quellen Quellmoore und Erlen-Eschen-Bachauenwälder hervorgebracht haben. Eine Besonderheit im Tertiärhügelland ist an dieser Stelle kalkhaltiges Quellwasser und kalkreicher Boden, die das Vorkommen einer ungewöhnlichen Vielfalt an Arten ermöglicht. Beispielsweise kommt die Haselmaus im artenreichen Eichen-Hainbuchenwald vor. Die Österreichische Quellschnecke und der Alpen-Strudelwurm haben in den Quellbächen und im Quellmoor seit der Eiszeit überlebt. Auch die winzige Schmale Windelschnecke als geschützte europäische Art hat hier ein Vorkommen mit höchster Qualität. Kroehling betonte, es komme für die Wertigkeit nicht auf die Größe einer Art an, sondern auf ihre Seltenheit, ihre Lebensraumansprüche und ihre Verbreitung innerhalb Europas. Durchaus auffallend sind der stattliche Schwarze Grubengroßlaufkäfer, Kammmolch und Gelbbauchunke, die man ebenfalls auch in den Isarhangleiten mit seinen Seitentälern antrifft. Hier bei Reisbach im Tertiärhügelland seien diese Arten jedoch auch daher so etwas Besonderes, da sie ein wichtiges Bindeglied im Netz Natura 2000 bilden. Gerade die Quellmoorbewohner, wie die Schmale Windelschnecke reagieren gerade auf kleinste Veränderungen im Wasserhaushalt empfindlich, so Peter Hirmer, und senden dadurch Warnsignale an die Menschen aus. Da alle diese Arten bis auf die Gelbbauchunke, zudem wenig mobil sind, ist ein Eingriff wie der erfolgte Straßenbau ein große Bedrohung für ihre isolierten Vorkommen. Sie können nicht auf andere Lebensräume ausweichen.
Daher, so die Referenten, ist es gesetzlich vorgeschrieben, dass vor dem Bau einer solchen Straße die jeweiligen Arten so gestützt werden, dass die Funktion ihrer Wohnstätten über die Baumaßnahme hinaus keinen Schaden nimmt. Der Fortbestand dieser Funktion ist für jede Art eigenständig zu gewährleisten, indem z.B. eine sogenannte „Durchgängigkeit“ von Wanderkorridoren von Amphibienarten erhalten bleibt oder sogenannte CEF-Maßnahmen durchgeführt werden. CEF steht für „continuous ecological functionality“, also fortgeführte ökologische Funktionalität. Einige solcher CEF-Maßnahmen wurden daher auch vor dem Bau der Umgehungsstraße angelegt und nun bei der Führung besichtigt. Zwei CEF-Maßnahmengewässer für den Kammmolch weisen jedoch bis heute keine Kammmolch-Vorkommen auf. Es hat sich eine gänzlich andere Artengemeinschaft eingestellt, was an den quelligen Eigenschaften der Gewässer liegt. Zu dieser Artengemeinschaft zählt auch der Springfrosch, der ebenfalls eine streng geschützte Art ist. Kroehling betonte, es sei zwar schön, dass eine weitere streng geschützte Amphibien-Art am Schleifmühlbach existiert, was ebenfalls für die nach wie vor hohe Wertigkeit dieses Gebietes spricht. Nur leider sei auch diese Tierart bislang nicht in den Straßenbauplänen berücksichtigt worden, und der Kammmolche fehle in dem doch eigentlich extra für ihn geschaffenen Gewässer. Aigner schlug vor, das Beste aus der Situation zu machen: die eigentlich für den Kammmolch angelegten, für diesen wegen des Quellwassers aber zu kühlen Gewässer sollten für den bei den Planungen übersehenen Springfrosch erhalten werden, statt weiter mühevoll zu versuchen, sie für den Kammmolch herzurichten. Der Kammmolch müsse dann aber an anderer Stelle im Gebiet gefördert werden. Der erste Bürgermeister Holzleitner, der ebenfalls als Zuhörer gekommen war, erfreute sich zusammen mit den anderen Teilnehmern an weiteren Beobachtungen. Dass hierunter einige in der normalen Landschaft nicht mehr allzu häufigen Tier- und Pflanzenarten waren, hob Kroehling hervor: Blauflügelige Prachtlibelle, die ihr Revier über dem Schleifmühlbach abgrenzte, Gemeine Bernsteinschnecke als typische Uferbewohnerin, Deutscher Buntschnellläufer, ein bunter Laufkäfer extensiver Waldränder und Brachen, sowie Basen-und Kalkzeigerpflanzen am Waldboden lichter Wälder und an Waldrändern wie die weiß blühende Kriechende Rose, Nickendes Perlgras und Wald-Bingelkraut. Am Ende war allen klar: das Gebiet hat weiterhin sehr viel zu bieten. Dass das auch trotz der Straße so gut wie möglich so bleibe, werde man seitens BN im Auge behalten, so Hirmer und Aigner. Den gesetzlich vorgeschriebenen Ausgleich zu schaffen reicht gerade hier nicht, die Maßnahmen müssen über viele Jahre hinweg beobachtet und gepflegt werden.