Pressegespräch: Wasserschutz ist Menschenschutz
10.9.2018
Bund Naturschutz Kreisgruppe fordert stärkere Anstrengungen für das Grundwasser und für die Bäche und Flüsse im Landkreis Dingolfing-Landau.
Wasserrahmenrichtlinie ist wohl nicht mehr zu schaffen?!
Am 22.12.2000 ist in der Europäischen Gemeinschaft die Wasserrahmenrichtlinie in Kraft getreten. Die Europäische Gemeinschaft hat als Begründung hierzu u.a. festgestellt: "Wasser ist keine übliche Handelsware, sondern ein ererbtes Gut, das geschützt, verteidigt und entsprechend behandelt werden muss“. Eigentlich müssten nach dem EU-Recht Bäche und Flüsse und auch das Grundwasser sich bereits seit 2015 flächendeckend in einem guten Zustand befinden. 2028 läuft die letzte Frist für das Erreichen eines guten Zustandes ab, so erläuterte das Vorstandsmitglied Franz Anneser den aktuellen Sachstand. Für die Bund Naturschutz Kreisgruppe Dingolfing Landau sei dies der Anlass, auf die Situation im Landkreis genauer hinzusehen. Ein weiterer Grund sei die Europäische Wasserkonferenz am 20.und 21. September 2018 in Wien. Hier würden die Berichte der EU-Kommission über die Bewirtschaftungspläne und Hochwasserrisikomanagementpläne der Mitgliedsstaaten sowie der Bericht der Europäischen Umweltagentur über den Zustand der Gewässer vorgestellt und diskutiert. Weitere Themen sind die Überprüfung der Wasserrahmenrichtlinie und Hochwasserrichtlinie ("Fitness Check") und die Evaluierung der Kommunalen Abwasserrichtlinie. Im Anschluss an die Konferenz würde eine Öffentlichkeitsbeteiligung durch die Europäische Gemeinschaft stattfinden. Aus der Sicht der Umweltschützer sei zu befürchten, dass versucht werde, Abstriche von den bestehenden Schutzstandards zu machen.
Grundwasser in schlechtem Zustand
Peter Hirmer, ebenfalls Mitglied des Bund Naturschutz Kreisvorstandes, stellte die bisherigen Ergebnisse zum Erreichen der Ziele im Gewässerschutz nach der Wasserrahmenrichtlinie vor. Er verwendete hierzu die Daten, die das Landesamt für Umwelt für den Landkreis Dingolfing-Landau veröffentlicht hat. Und diese Ergebnisse seien erschreckend, so der Naturschützer. Für das Grundwasser müsse festgestellt werden, dass alle Grundwasserkörper einen schlechten chemischen Zustand haben. Gleichzeitig geht die Einschätzung der Experten der Wasserwirtschaft dahin, dass bis 2021 keine Verbesserung zu einem guten Zustand erreicht werden könne. Ursache für die negativen Bewertungen sind die Nitratbelastung des Grundwassers sowie die Belastung durch Pflanzenschutzmittel. Bei den Pflanzenschutzmitteln sind vor allem Atrazin sowie Abbauprodukte von Atrazin sowie andere Triazine Verursacher der Belastung. Obwohl Atrazin bereits seit 1991 verboten sei, weisen die Grundwasserkörper auch heute noch Belastungen auf. Auch Atrazin wurde über 30 Jahre als nicht bedenklich eingestuft. Dieses Beispiel zeige auf, welches lange Gedächtnis das Grundwasser habe.
Rolle der Moore im Landkreis wird systematisch unterschätzt
Positiver scheint der mengenmäßige Zustand des Grundwassers zu sein. Hier würde allen Grundwasserkörpern im Landkreis ein guter Zustand bescheinigt. Peter Hirmer hat hier erhebliche Zweifel, ob sich dieser Befund so halten lasse. Ein guter mengenmäßiger Zustand wäre nur dann vorhanden, wenn die Entnahmen entsprechend begrenzt seien und die Grundwasserstände keine negativen Auswirkungen auf Bäche oder Flüsse sowie auf grundwasserabhängige Biotope wie Auwälder, Niedermoore, Quellbereiche oder Feuchtwiesen hätten. Gerade aber bei den wasserabhängigen Biotopen sei eine erhebliche Verschlechterung in den letzten Jahrzehnten festzustellen. Franz Anneser erläuterte dies am Beispiel des Königsauer Mooses. Durch die permanente Entwässerung unterliege das Königsauer Mooses einen permanenten Abbauprozess. Hierdurch wird der in den Mooren gespeicherte Kohlenstoff in klimarelevante Gase wie Kohlendioxid und Lachgas umgesetzt. Obwohl das Königsauer Moos seit 2004 als Natura-2000-Fläche ausgewiesen ist, konnte bisher nicht erreicht werden, dass ein moorschützender Wasserstand ganzjährig erreicht wird. Peter Hirmer ergänzte, dass auch die Auwaldbereiche an der Isar unter niedrigen Grundwasserständen sowie fehlender Grundwasserdynamik leiden. Auch andere Biotoptypen wie Quellbereiche oder Feuchtwiesen seien der zunehmenden Entwässerung zum Opfer gefallen. Die andere Seite der Medaille sei, dass durch die fehlenden Feuchtbereiche Hochwässer schneller kommen und drastischere Folgen haben.
Quecksilber in Flüssen und Bächen
Auch bei Flüssen und Bächen sei man noch weit von dem Ziel eines guten Zustands entfernt. Alle Flüsse und Bäche im Landkreis, die für die Wasserrahmenrichtlinie bewertet werden, haben einen schlechten chemischen Zustand, so Peter Hirmer. Ursache ist hier die Belastung durch Quecksilber und Quecksilberverbindungen. Diese Problematik bestehe aber bundesweit. In Deutschland wird ca. 2/3 des Quecksilbers aus Industrieanlagen des Energiesektors freigesetzt. Bei den Betrieben der Energiebranche stammt der mit Abstand größte Anteil der Quecksilberemissionen aus den großen Stein- bzw. Braunkohlekraftwerken. Die Kraftwerke mit den höchsten Freisetzungen von Quecksilber (> 400 kg/a) über den Luftpfad befinden sich im Mitteldeutschen, im Lausitzer und im Rheinischen Kohlerevier. Damit wird ein sofortiger Ausstieg aus der Kohleverstromung nicht nur aus Klimaschutzgründen erforderlich – auch aus Gründen des Gewässerschutzes ist dieser Ausstieg überfällig. Neben den Quecksilberverbindungen wurden keine weiteren relevanten Schadstoffbelastungen festgestellt. Hier muss aber berücksichtigt werden, dass die Daten für Mikroplastik, hormonellen Verbindungen und Arzneimittelrückständen bei der Erfassung 2015 noch nicht berücksichtigt wurden.
Hohe Abschwemmungen von Ackerböden - vor allem im Landkreis Dingolfing-Landau
Der Bund Naturschutz Kreisvorsitzende Alois Aigner ging auf die Belastungen der Gewässer durch Nährstoffe ein. Vor allem auch durch Abschwemmung von Ackerböden sowie durch Oberflächenabfluss und Drainagen wird eine viel zu hohe Nährstofffracht in die Oberflächengewässer des Landkreises eingebracht. Weiter wirkt sich die starke Nitratbelastung des Grundwassers natürlich auch auf die Oberflächengewässer aus. Erosion von Ackerböden belastet nicht nur die Oberflächengewässer; mit jeder Abschwemmung geht auch fruchtbarer Ackerboden verloren.
Schlechte Durchgängigkeit von Querbauwerken
Laut Peter Hirmer sind neben der Schweb- und Nährstoffbelastung weitere Faktoren für den schlechten oder mäßigen ökologischen Zustand von Flüssen und Bächen verantwortlich. Flüsse und Bäche wurden begradigt und teilweise in ein steinernes Korsett gezwängt. Stauwehre und Schwellen verhindern die Durchgängigkeit in Gewässern. In Oberläufen wurden Quellbereiche gefasst oder verrohrt. Weiter haben Flüsse und Bäche teilweise mit starken Wasserschwankungen oder mit zu wenig Wasser zu kämpfen. Stellvertretend für die im ganzen Landkreis auftretenden Beeinträchtigungen nannte er drei Bereiche. So wird beispielsweise zwischen den Isarkraftwerken Gummering und Dingolfing ein sogenannter Schwellbetrieb gefahren. Der Wasserspiegel im Unterwasser des Kraftwerks Gummering schwankt um ca. 2 m. Diese unnatürliche Schwankung tritt sehr häufig auf und schädigt die Ökologie des Flusses erheblich. Es wäre dringend erforderlich, dass die noch bis 31.12.2032 laufende wasserrechtliche Bewilligung in diesem Punkt schnell geändert wird. Ein weiterer Punkt ist der Vilstalstausee. Wie alle Querbauwerke unterbricht der Vilstalstausee die Aufwärtsdurchgängigkeit für Fische und andere Lebewesen. In der Bewirtschaftungsplanung nach der Wasserrahmenrichtlinie ist die Herstellung der Durchgängigkeit vorgesehen. Vom Freistaat Bayern, der eigentlich als Vorbild tätig sein sollte, liegen noch keine Planungen vor, wie denn an dieser Stelle die Durchgängigkeit realisiert werden soll. Als drittes Beispiel nannte Peter Hirmer den Vilskanal bei Eichendorf. Dieser Kanal wurde für den Hochwasserabfluss künstlich geschaffen. Die Wehranlage bei Adldorf, die für den Abfluss aus der Vils in den Vilskanal sorgt, soll erneuert werden. Auch hier wird über die Frage der Durchgängigkeit und der Mindestwasserversorgung diskutiert. Ohne eine ausreichende Wasserversorgung und ohne Auf- und Abstiegsmöglichkeiten wird aber das gute ökologische Potential im Vils-III-Kanal nicht herzustellen sein. Diese Liste könnte an vielen anderen Orten im Landkreis verlängert werden. Für einen guten Zustand unserer Gewässer ist es notwendig, den Flüssen und Bächen mehr Raum zu geben und mehr Strukturen wie Mäander, Kiesbänke usw. zuzulassen. Als positives Beispiel nannte Peter Hirmer das LIVE-Projekt an der Isar.
Endlich auf alle Gefahren reagieren
Welche Forderungen hat der Bund Naturschutz für die Gewässer im Landkreis? Alois Aigner betonte, dass die Ziele der Wasserrahmenrichtlinie beibehalten werden müssen. Sie müssen mit Blick auf neue Herausforderungen wie etwa den Klimawandel oder Mikroplastik erweitert werden. Zusätzlich ist es erforderlich, dass eine schnellere Umsetzung der notwendigen Maßnahmen erfolgt. Hierzu müssten auch die personellen Kapazitäten bei den Landwirtschafts- und Wasserwirtschaftsämtern erhöht werden und die erforderlichen Mittel für die Umsetzung der Maßnahmen zur Verfügung gestellt werden.
Die Einträge an Stickstoff und Phosphor aus dem Ackerbau müssen wesentlich reduziert werden. Die Düngeverordnung muss nachgebessert werden. Notwendig sind die Einführung der Stoffstrombilanz für alle Betriebe und die Absenkung der Stickstoffbedarfszahlen für die Nährstoffbilanzierung. Landwirtschaftliche Förderung muss sich an den Allgemeinwohlbelangen und nicht an den vorhandenen Flächen orientieren. Der Ökologische Landbau ist aufgrund seiner Nachhaltigkeit für den Wasserhaushalt, für den Bodenschutz und die Biodiversität vorteilhaft. Die verstärkte Förderung des Ökologischen Landbaus liegt sehr im Interesse des Gewässer- und Grundwasserschutzes wie auch des Bodenschutzes und muss deswegen durch die bayerische Staatsregierung mit einem Maßnahmenplan zur Ausweitung des Ökolandbaus weiter vorangebracht werden.
Mit einem Pestizidreduktionsprogramm muss Bayern im Bereich Beratung und Forschung die Anwendung von Herbiziden schrittweise bis 2025 beenden. Es muss eine Planung vorgelegt werden, wie bienen- und wassergefährdende Insektizide und Fungizide reduziert und verboten werden können. Insbesondere Herbizide haben massiv zur Verringerung des Nahrungsangebots von Insekten beigetragen.
Es muss zur guten fachlichen Praxis der Landwirtschaft gehören, die Wasseraufnahme und Wasserspeicherung der Böden zu verbessern. Hier ist ein Schwerpunkt der landwirtschaftlichen Aus- und Fortbildung wie auch der Beratung zu setzen. Es müssen dauerhaft Strukturen gegeben sein, die das abfließende Wasser bremsen und zurückhalten und die Sedimentation von Bodenteilchen im abfließenden Wasser verbessern. Dies können Grünstreifen, Hecken, Ranken, grüne Abflussmulden und anderes mehr sein. Soweit hier freiwillige Maßnahmen nicht ausreichen, sind Maßnahmen nach den Flurbereinigungs-, Bodenschutz- und Wassergesetzen anzuordnen. Schädliche Bodenveränderungen durch Erosion sind landesweit amtlich zu kartieren und flächenscharf zu dokumentieren.
Ökologisch funktionsfähige Gewässerrandstreifen in ausreichender Breite von beidseitig mindestens fünf bis zehn Metern sind in Bayern verbindlich einzuhalten. Fünf Meter breite Grünstreifen an allen Gräben und Gullys sind festzulegen, da über diese die größten Boden- und Phosphat-Einträge in die Gewässer gelangen. Die Anlage von funktionierenden Gewässerrandstreifen ist im Rahmen der landwirtschaftlichen Förderpolitik entsprechend zu unterstützen.
In häufig überschwemmten Bereichen sowie in Gebieten mit hohen Grundwasserständen wie etwa Niedermoore und ehemalige Feuchtwiesen ist auf eine reine Grünlandnutzung hinzuwirken. Gleichzeitig müssen in diesen Bereichen Maßnahmen zur Sicherung der Wasserstände zum Erhalt der Niedermoorbereiche getroffen werden.
Zur Bewahrung des Naturhaushalts der Gewässer und zur Sicherung der Arten- und Lebensraumvielfalt sind an den Fließgewässern verstärkt Renaturierungen durchzuführen bzw. zuzulassen. Damit ist eine Reaktivierung der Auen zu verbinden. Hierdurch wären auch Verbesserungen beim Hochwasserschutz zu erreichen. Die Landwirtschaft muss ihren Beitrag dazu leisten. Die Bereitstellung von Flächen und eine angepasste Nutzung sind hier notwendig; der Staat muss durch entsprechende Förderung Anreize schaffen.
Die Landwirtschaft ist aber nur ein Bereich, bei dem ein Umsteuern erforderlich ist. Aus der Sicht von Peter Hirmer ist ein sofortiger Ausstieg aus der Kohleverstromung notwendig. Starkregenereignisse, milde Winter oder Sommer mit lang andauernden Trockenperioden zeigen auf, dass der Klimawandel auch bei uns bereits Auswirkungen zeigt. Sowohl aus Gründen des Klimaschutzes als auch zum Schutz der Gewässer ist ein sofortiger Ausstieg notwendig. Jeder weitere Betrieb der alten Kohlekraftwerke belastet nachfolgende Generationen mit schweren Hypotheken. Für den Strukturwandel in den Kohlerevieren müssen ausreichende Mittel sofort zu Verfügung gestellt werden. Für die betroffenen Beschäftigten müssen Maßnahmen der sozialen Absicherung sichergestellt werden.
Bestehende Gewässernutzungen müssen auf Ihre Vereinbarkeit mit den Zielen der Wasserrahmenrichtlinie überprüft werden. Sofern keine Vereinbarkeit möglich ist, müssen die Nutzungen – falls erforderlich gegen Entschädigung – eingeschränkt oder untersagt werden.