Wie geht es weiter mit der Südumgehung Reisbach?
Symbol für Bayerns verkehrte Straßenbaupolitik
Ein Symbol für Bayerns verkehrte Straßenbaupolitik mit schwerwiegenden Auswirkungen für die Artenvielfalt des betroffenen Naturraums. BUND Naturschutz (BN) kritisiert die mangelhafte Berücksichtigung artenschutzfachlicher Belange im Rahmen der Baumaßnahmen und kündigt Dokumentation der Umweltschäden an. Nach einer Bauzeit von mehr als drei Jahren wurde im September 2015 die neue Südumgehung des Marktes Reisbach dem Verkehr übergeben. Seit Beginn der Planungen sind somit 13 Jahre ins Land gegangen und der BN sowie eine örtliche Bürgerinitiative hatten von Anfang an gegen dieses Vorhaben gekämpft. „An unseren generellen Kritikpunkten an diesem Straßenprojekt hat sich trotz dieser Tatsache aber nichts geändert“, erklärte Richard Mergner, Landesbeauftragter des BN. „Sie sind heute sogar noch wichtiger und offensichtlicher als vor 13 Jahren. Insbesondere die befürchteten Schädigungen der betroffenen Lebensraumkomplexe, unter anderem am Schleifmühlbach, und die Beeinträchtigungen der hier nachgewiesenen streng geschützten Arten sind nach Ansicht des BN noch viel schwerwiegender als immer schon befürchtet. „Wir werden daher jetzt nicht einfach aufgeben, sondern die weiteren Entwicklungen umfassend dokumentieren um beispielhaft die Defizite auf zu zeigen“, sagte Mergner. Verkehrsvermeidung ist das Gebot der Stunde Die Südumfahrung Reisbach ist im gültigen Ausbauplan für Staatsstraßen von 2011 nur mit der Dringlichkeit 2 eingestuft, was eigentlich einen Bau erst irgendwann nach 2025 bedeuten würde. Eine Notwendigkeit für dieses Projekt bestand daher offensichtlich nicht. Dass es dennoch gebaut wurde und die Kosten deutlich höher waren als im Ausbauplan angesetzt (8,2 statt 6,8 Mio. Euro), zeigt daher auch, dass statt der allseits geforderten Priorität für den Erhalt des bestehenden Straßennetzes nach wie vor in unverantwortlicher Weise auf neue Straßen gesetzt wird. Der Verkehr verursacht derzeit rund 18 Prozent der Treibhausgasemissionen in Deutschland und ist der einzige Sektor in dem die Emissionen im Vergleich zu 1990 sogar noch gestiegen sind. Davon verursacht der Straßenverkehr 95 Prozent. Es muss daher gerade in diesem Bereich mehr passieren als bisher, vor allem auch im Hinblick auf die Klimaschutzziele Deutschlands und Bayerns ist dies unumgänglich. „Wir brauchen endlich eine Verkehrs- und Mobilitätswende um den Energieverbrauch und die Emissionen des Autoverkehrs zu reduzieren. Prestigeprojekte wie die Ortsumfahrung von Reisbach, die enorme Kosten verursachen, noch mehr Verkehr induzieren und deren Notwendigkeit mehr als zweifelhaft ist, sind dabei eindeutig der falsche Weg“, betonte Mergner. Ein weiterer grundsätzlicher Kritikpunkt ist zudem die Zerstörung wertvoller
landwirtschaftlicher Böden und die Entwertung, Zerschneidung und technische Überprägung des reizvollen Landschaftsraums südlich von Reisbach. Gerade im Landkreis Dingolfing-Landau, der beim Flächenverbrauch zu den Spitzenreitern in Bayern gehört, ist die Zunahme der Siedlungs- und Verkehrsfläche besonders drastisch. Sie nahm zwischen 2000 und 2013 um fast 21 Prozent zu. Mehr als 1.700 Hektar gingen dabei verloren und sind beispielsweise der landwirtschaftlichen Nutzung entzogen.
Schädigungen der Artenvielfalt auch künftig zu befürchten
„Auf Grund der bisherigen schlechten Erfahrungen mit diesem Straßenprojekt, wird sich der BN auch nach der Fertigstellung mit den Auswirkungen beschäftigen“, erklärte Peter Hirmer, Vorstandsmitglied der BN Kreisgruppe Dingolfing-Landau. Der Freistaat Bayern habe zum Artenschutz eine Reihe von guten Programmen und Initiativen entwickelt, wie etwa die Biodiversitätsstrategie oder das Aktionsprogramm bayerische Artenvielfalt im Rahmen des Projekts die Bayern Arche. ImRahmen dieser Programme konnten auch Projekte des BN für die Artenvielfalt verwirklicht werden. Trotzdem können diese positiven Ansätze die Beeinträchtigungen durch Infrastrukturmaßnahmen und Baugebietsausweisungen nicht ausgleichen. An der Südumgehung Reisbach lässtsich die Problematik besonders gut verdeutlichen:Bereits vor 13 Jahren haben Voruntersuchungen ergeben, dass die nunverwirklichte Trasse aus Naturschutzgründen nicht gewählt werden sollte.Für die Flächen am Schleifmühlbach hatte das Landesamt für Umwelt ursprünglich sogar die Meldung als Natura-2000-Gebiet geprüft. MitHaselmaus, Gelbbauchunke, Kammmolch, Schmaler Windelschnecke,Dunkler Wiesenknopfameisenbläuling, Springfrosch und Schwarzer Grubenlaufkäfer sind nach europäischem Recht streng geschützte Arten nachgewiesen. Zudem sind noch viele gefährdete Arten der Roten Liste kartiert worden. Allerdings war es nicht die Marktgemeinde Reisbach als Vorhabensträger, die die entsprechenden Nachweise erbracht hat. Vielmehr ist es den Kartierungen und Gutachten der Bürgerinitiative sowie dem Bund Naturschutz zu verdanken, dass das hervorragende Arteninventar dieser Gebiete erfasst wurde. Auch hinsichtlich des Grundwasserhaushaltes liegen eindeutige Gutachten darüber vor, dass die Biotope durch die Trassenführung geschädigt werden können. Da bereits während der Baumaßnahmen ersichtlich war, dass streng geschützte Arten geschädigt werden, hat der BN nach dem Umweltschadensgesetz die Regierung von Niederbayern mehrfach zum Handeln aufgefordert. Mit Schreiben vom 15.01.2014 teilte die Regierung dann mit, dass dem BN als Naturschutzorganisation kein Initiativrecht bei Maßnahmen der Gefahrenabwehr und der Schadensbegrenzung zusteht. Das bedeutet, dass dem BN solange rechtlich die Hände gebundensind, bis Schäden bei den Arten und Biotopen glaubhaft gemacht werden können, also erst wenn der Schadensfall eingetreten ist. Aus diesem Grund wird sich die BN-Kreisgruppe auch weiter mit der Südumgehung Reisbach beschäftigen. „Wir wollen die Entwicklung der Biotope und der Arten über mehrere Jahre dokumentieren. Damit wollen wir einerseits notwendige zusätzliche Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen durchsetzen und zum anderen dokumentieren, welche Auswirkungen ein Straßenbau wie die Südumgehung Reisbach hat“, erklärte Hirmer zum weiteren Vorgehen. Hierzu ist auch geplant Ende 2016 in einem „Schwarzbuch Südumgehung Reisbach“ die bisherigen Abläufe und Entwicklungen darzulegen. „Wenn wir schon diesen unsinnigen Straßenbau nicht verhindern konnten, so soll die Dokumentation zumindest helfen, dass nicht die gleichen Fehler anderswo wiederholt werden“, betonte Peter Hirmer.
Wertvollste Böden zerstört – wo war der Bauernverband?
Alois Aigner, der Vorsitzende der BN Kreisgruppe, kritisierte insbesondere, dass angesichts der immer deutlicher werdenden Klimaerwärmung der Bau dieser Straße genau das Gegenteil von dem sei was nötig wäre. „Im Bemühen um die dringend gebotene massive Reduzierung des Kohlendioxid-Ausstoßes bringt uns das keinen Schritt vorwärts, es beschleunigt vielmehr die Spirale der Zerstörungen. Wer angesichts der extremen Temperaturen im vergangen Sommer und der ausbleibenden Niederschläge die Augen vor den Auswirkungen des Klimawandels verschließt ist töricht und verspielt die Zukunft der nächsten Generationen“, so Aigner. In der Landwirtschaft sind die Folgen mit am deutlichsten zu spüren. „Geringere Erträge bis hin zum Totalausfall, Dinge die wir sonstnur von Fernsehbildern aus Afrika kennen, waren heuer auch hier bei uns die Folge“. Außerdem macht der Borkenkäferbefall unseren Fichtenwälder schwer zu schaffen und wenn der Temperaturanstieg so weitergeht, werden sie wohl bald aus unserem Landkreis verschwinden, prognostizierte Aigner. Die bei der Baumaßnahme zerstörten Lössböden gehören zu den fruchtbarsten Böden überhaupt. Sie sind nährstoffreich, leicht zu bearbeiten, verfügen über einen guten Wasser- und Wärmehaushalt und sind deshalb für die Landwirtschaft in allen Teilen der Welt von großer Bedeutung. „Es ist für mich daher unbegreiflich und ein Rätsel, warum sich der Bauernverband nicht gegen diesen Flächenverbrauch gestellt hat“, so Biobauer Alois Aigner.
Südumgehung ist krasses Beispiel für Bodenzerstörung
Im Landkreis Dingolfing-Landau werden o,36 ha täglich versiegelt, das ist mehr als ein Tagwerk. Damit nimmt unser Landkreis bayernweit einen Spitzenplatz ein. Seit 1980 hat die versiegelte Fläche um über 70% zugenommen.
An der Peripherie jeder Gemeinde wurden immer neue Gewerbegebiete ausgewiesen. Neue Arbeitsplätze entstanden im Verhältnis zur Fläche nur wenige, häufig sind es Logistikhallen mit entsprechend großen Verkehrsflächen. Trotz kaum wachsender Bevölkerung sind seit 1980 sehr viele Neubausiedlungen auf dem Land gewachsen, die entsprechend mit neuen Verkehrswegenetzen erschlossen wurden.
Diese Entwicklung ist nicht mehr rückgängig zu machen, muss aber, so der Bund Naturschutz, endlich ein Ende finden.
Denn die Versiegelung des Bodens hat nicht nur direkte Auswirkungen auf die Lebensgemeinschaften der zerstörten Biotope, sondern auch Folgen für das Wasserregime der näheren und weiteren Umgebung; über Dächer und großflächig versiegelte Bodenbereiche wird das Regenwasser abgefangen und als Abwasser entsorgt. Dieses Wasser fehlt der Natur, soweit sie in der näheren Umgebung noch erhalten ist. Sträucher und vor allem größere Bäume können in den so genannten Trockenstress kommen, wenn ihnen in den Sommermonaten nur kleine offene Bodenflächen im Wurzelbereich zur Verfügung stehen - in großflächig versiegelten Bereichen kann das gesamte Wasserregime soweit verschlechtert werden, dass die Wurzelräume nicht mehr ausreichend versorgt werden können. Mit einer Verzögerung von oft mehreren Jahren ist in manchen Regionen ein Absinken des Grundwasserspiegels zu verzeichnen; dies geschieht, wenn das Grundwasser aus dem Oberflächenwasser gespeist wird, wie es in einigen Regionen der Fall ist.
Am Beispiel des Marktes Reisbach ist deutlich zu sehen, dass noch lange keine Ende des weiteren Bodenverbrauchs in Sicht ist. Bei einer Ortsbegehung machten sich die Mitglieder des Kreisvorstandes ein aktuelles Bild.Im Osten des Marktes soll eine neue Siedlung entstehen, obwohl im gewachsenen inneren Bereich noch lange nicht alle Reserven ausgeschöpft sind.
Weit im Süden des Marktes entsteht zur Zeit ein Brückenbauwerk für die Südumgehung. Hier werden Tatsachen geschaffen, obwohl die Baumaßnahme noch nicht in trockenen Tüchern ist. Eine Flurbereinigung zur Sicherung von Ausgleichsflächen ist gescheitert. Ob die Grundstücke alle erworben werden können ist noch nicht sicher. Dennoch wird Boden in großem Maßstab für alle Zeit zerstört. Dabei handelt es sich hier um Lösslehm mit einer Qualität, die nur von 5% aller Böden erreicht wird. Die Sinnhaftigkeit dieser Straßenbaumaßnahme ist sehr umstritten.
Reisbach ist nur ein Beispiel. Auch in anderen Gemeinden geht die Flächenversiegelung munter weiter. Nicht oft genug können die Verantwortlichen an ihre
Hier werden 6,75 Millionen Euro für eine Straße ausgegeben, deren Dringlichkeit erst für das Jahr 2025 eingestuft ist, und die laut Staatsregierung eine raumordnerische Relevanz von 0 aufweist. Mit Unverständnis reagierten die Kreisvorstandsmitglieder auf die Haltung des Bauernverbandes, der offiziel der Südumgehung "neutral" gegenübersteht. Der Bauernverband, der eine deutschlandweite Kampagne gegen den Flächenverbrauch fährt, hat aber, obwohl seine Mitglieder als Grundstücksbesitzer die meiste Macht hätten, noch nie gegen eine konkrete Zerstörungsmaßnahme im Landkreis klar Stellung bezogen. "Hier wird wird vor unseren Augen Bodenzerstörung in großem Maßstab betrieben, aber vom Bauernverband kein Wort des Widerspruchs", so Vorstandssprecher Alois Aigner. verfassungsmäßige Pflicht erinnert werden, wonach neben dem schonenden Umgangs mit Grund und Boden zu den vorrangigen Aufgaben einer Gemeinde gehört, Wasser als natürliche Lebensgrundlage zu schützen und die Leistungsfähigkeit des Naturhaushaltes zu erhalten und dauerhaft zu verbessern.
Stopp für die Umgehungsstraße Reisbach !
Der Bau dieser Straße wäre ein „Schlag gegen alle Artenschutzbemühungen".
Kürzlich hatte die Bund Naturschutz Kreisgruppe Dingolfing/Landau zu einer Versammlung in Reisbach Mitglieder und Freunde eingeladen. Der Kreisvorsitzende Josef Viehbeck begrüsste die Anwesenden. Da in Reisbach seit mehreren Jahren keine aktive Ortsgruppe existiert, erläuterte er die Wichtigkeit einer Ortsgruppe auf Grund des weiter fortschreitenden Landschaftsverbrauchs mit dem damit verbundenen Artenrückgang. Auch Gentechnik, Klimawandel und viele andere Gefährdungen unserer Lebensgrundlagen gehören zur breiten Vielfalt der Natur- und Umweltschutzaktivitäten des BN. So äusserte Viehbeck den Wunsch an alle Anwesenden sich für die Bildung einer aktiven BN- Ortsgruppe Reisbach einzusetzen. Anschliessend übergab er das Wort an den Sprecher der Bürgerinitiative gegen die geplante naturzerstörerische Umgehungsstraße Herrn Dr. Arthur Steinhauser. Seit 2001 wehrt sich diese Gruppe von Reisbacher Bürgern gegen diese völlig unnötige Straßenbauplanung. Obwohl diese Ortsumgehung in keiner der drei Dringlichkeitsstufen aufgeführt war, wurde von der Gemeinde Reisbach ein Gutachten in Auftrag gegeben. Alle ortsplanerischen Gesichtspunkte sprechen sich gegen diese Straße aus. Auch Landschaftsplanerisch ist diese Straße sehr bedenklich. Aus ökologischer Sicht ist sie Landschafts- und Naturzerstörend. Auch liegt keinerlei Gesamtkonzept für die Weiterführung der Straßentrasse vor. Da das terzere Hügelland im Bezug auf Biotopflächen und Artenvielfalt am stärksten verarmt ist und durch diese Straße ein Naturraum mit höchster Biodiversität und besonders schützenswerten Tieren und Pflanzen stark beeinträchtigt und zerstückelt wird, ist dieses Vorhaben ein unverantwortlicher Frevel gegen die Schöpfung Natur. Auch alte traditionelle Kulturlandschaften werden durchschnitten. So wurden früher Haustiere in die lichten Eichen- Hainbuchenwälder zum mästen getrieben. Zwei dieser äusserst wertvollen Reste solcher Wälder sowie ein äusserst wertvolles Wasserschutzgebiet in einer Grössenordnung von 30 – 40 m² mit Schilfbewuchs sowie Erlen- und Traubenkirschenbestände werden massiv beeinträchtigt. Neben anderen laut EU-Recht zum Teil streng geschützten Tierarten ist diese Landschaft ein Lebensraum für Gelbbauchunken, Molche, Windelschnecken und der österreichischen Quellschnecke. Wenn 5 Millionen Euro völlig unnötig für den Bau dieser naturzerstörerischen Straße verschwendet und von der Bundesregierung 500 Millionen Euro für den Erhalt von Wäldern in anderen Ländern bereitgestellt werden, so ist dies so Steinhauser, ein nicht nachvollziehbares Planen und Handeln. Wenn es um Artenschutz geht dann muss die Regierung und die kommunale Politik vor Ort anfangen so zum Schluss der BN- Kreisvorsitzende. Er fordert die Gemeinde Reisbach auf die Planungen und Aktivitäten für diese Umgehungsstraße zu beenden und keine weiteren Steuergelder mehr zu verschwenden. Zum Schluss dieses Informationsabends wurde noch ein Film über den Biber gezeigt. Es ist erfreulich dass die bayerische Staatsregierung 250 000 Euro für Härtefälle zur Verfügung gestellt hat.